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Wie eine Tierärztin öffentlich Erschrecken als Erziehung propagiert

Gestern bekam ich einen Textausschnitt aus einem Frauenmagazin zugeschickt, der mich fassungslos und wütend zugleich machte. Es geht um die „Erziehungstipps“ in der Frauenzeitschrift „Auf einen Blick“, Ausgabe 40/2025. Die Empfehlungen unter der Überschrift „Meine Katze springt auf den Tisch. Kann ich ihr das abgewöhnen?„* haben mich wirklich sprachlos gemacht – und zwar im sehr, sehr negativen Sinne! Doppelt schlimm macht es das Ganze, dass der Name einer Tierärztin – Dr. Petra Sindern – direkt über dem Artikel steht. Sie scheint also die Verfasserin der abgedruckten Ratschläge.

Angst und Stress ohne Lerneffekt als Erziehung?

Frau Dr. Sindern empfiehlt laut Abdruck im Magazin für den Umgang mit diesem Verhalten für geräuschempfindliche Katzen eine Trillerpfeife oder lautes Rufen. Außerdem spricht der Artikel auch davon, die Katze mit „Schüsse aus einer Wasserpistole„* zu „erschrecken„*. Bei ganz „hartgesottenen„* Katzen könnten „zum Beispiel umgedreht auf den Tisch gelegten, angespannten Mausefallen, die bei der Berührung laut zuschnappen und hochspringen„* helfen. Der Hinweis, dass die Katze dabei nicht verletzt werden solle – also zumindest nicht körperlich – ist in meinen Augen großer Hohn.

Dabei bringt es aber der letzte Satz des Artikels auf den Punkt „Dieser Schreck ist meistens sehr nachhaltig und einprägsam!„* – Ja, das wird er in vielen Fällen wohl sein, nur eben auf keine gute Weise.

Tierärztin Dr. Petra Sindern sitzt in hohen Ämtern

Mal ganz abgesehen von den in meinen Augen tierschutzwidrigen Ratschlägen hat mich die Recherche zur Person Dr. Sindern nochmal mehr aus den Socken gehauen: Sie ist Tierärztin, erste Vizepräsidentin des Bundesverbands praktizierender Tierärzte (bpt) und sitzt im Vorstand des WVA (World Veterinary Association, Welttierärztevereinigung). Also eine Person, die in hohen Ämtern sitzt und die schon aufgrund dessen zumindest ein paar Berührungspunkte mit dem Thema Tierwohl und dem Tierschutzgesetz gehabt haben sollte.

Tierschutzwidrige Ratschläge von der ersten Vizepräsidentin des bpt?

Wo wir auch gleich beim Thema sind, denn ein Blick ins Tierschutzgesetz, Paragraf 3, Abschnitt 5 sagt folgendes aus:
Es ist verboten, ein Tier auszubilden oder zu trainieren, sofern damit erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden für das Tier verbunden sind

Erziehung ist nichts anderes als Training. Unnötiger Stress, Angst und – so wie Frau Dr. Sindern laut Abdruck selbst sagt – einen „Schreck„*, „unangenehme Erfahrung„* „erschrecken„* bedeuten Leiden. Im schlimmsten Falle psychische Schäden, denn tatsächlich ist der Schreck oft nachhaltig und einprägsam! Bis hin zu Vertrauensverlust zum Menschen und nachhaltige Traumata. Erstens geht das weitaus nachhaltiger und weniger invasiv – zweitens ist „Angst einjagen“ nicht erziehen.

Oder wie die GTVMT (Gesellschaft für Tierverhaltensmedizin und -therapie) in ihrem Merkblatt „Katze im Haus“ aus November 2016 es ausdrückt:
Handelt es sich um ein Verhalten, dass Sie nicht ignorieren können, z. B. weil Ihre Katze Ihr Lieblingsmöbelstück zerkratzt, bestrafen Sie sie nicht. Strafen erhöhen das Stressniveau Ihrer Katze und gefährden ihre Beziehung.

Zwei weitere Zitate zum Thema aus dem Buch „Verhaltensprobleme bei der Katze“ (Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co KG, Herausgeberin Patricia Kaulfuß, 2018):
Angst und Stress hemmen das Lernvermögen. Daher sollten Strafen, die Angst oder Schmerzen erzeugen können, unbedingt unterlassen werden“ (Seite 19)
Methoden, die die Katze erschrecken, verunsichern oder sogar Stress auslösen, sind als tierschutzrelevant anzusehen“ (Seite 37)
Beide Zitate stammen übrigens aus den Kapiteln, welche von Privatdozentin Dr. med. vet. Dorothea Döring – Fachtierärztin für Verhaltenskunde und für Tierschutz – verfasst wurden.

Mal ganz davon abgesehen, dass ich nicht wüsste, wie irgendjemand garantieren kann, dass eine Katze zwischen zuschnappenden und hochspringenden Mausefallen – auch wenn sie anfangs umgedreht auf dem Tisch lagen – nicht auch körperlich verletzt wird…

Für mich sind die im Magazin abgedruckten „Empfehlungen“ klar tierschutzwidrig. Ich frage mich ernsthaft, wie heutzutage noch jemand öffentlich so etwas propagieren kann – und das als Tierärztin!

Bitte um Gegendarstellung an den Verlag

Sei es drum… Ich habe mich entschlossen, eine aufklärende Mail an den veröffentlichenden Verlag zu senden. Einerseits, um aufzuklären, dass solche Umgangsweisen keineswegs angeraten sind – Andererseits, um um Gegendarstellung zu bitten, denn sicherlich werden viele Lesende dem Rat einer Tierärztin vertrauen wollen. Das war der Wortlaut meiner Mail vom 30.09.2025:

Sehr geehrte Redaktion,
in den sozialen Medien wird ein Auszug aus der Fernsehzeitung „Auf einen Blick“, Ausgabe 40 derzeit stark diskutiert. In dem Ausschnitt sind die Ratschläge der Tierärztin Dr. Petra Sindern zur Katzenerziehung gezeigt. Konkret empfiehlt sie Wasserspritzen, Erschrecken und umgedreht liegende Mausefallen als „Hilfsmittel“, damit die Katze nicht auf den Tisch springt. Diese Empfehlungen erinnern stark an veraltete „Erziehungsmaßnahmen“, die früher bei Kindern eingesetzt wurden. Heute weiß die Forschung glücklicherweise, dass derartige Maßnahmen nicht angemessen und sogar schädlich sind.

Ebenso verhält es sich mit Frau Dr Sinders Empfehlungen: sie zielen auf Angst und Traumatisierung ab, statt auf geeignete Erziehung. Mehr noch: sie überschreiten die Grenze der Tierschutzwidrigkeit, da sie eindeutig vermeidbares Leid für die Katze bedeuten. Ein langfristiger Lern- oder Erziehungseffekt kann mit solchen Maßnahmen nicht stattfinden. Schon allein lerntheoretische Grundlagen und biochemische Reaktionen im Gehirn der Katze lassen dies nicht zu. Stattdessen bringen sie Angst, Vertrauensverlust und in vielen Fällen schwerwiegendere Verhaltensprobleme mit sich. Eine Tierärztin sollte sich dessen eigentlich bewusst sein.

Mich stimmt es sehr traurig, dass derartige Ratschläge unkritisch abgedruckt werden – können sie doch schädliche Folgen für zahlreiche Katzen und ihre Menschen nach sich ziehen.

Ich bitte Sie daher von Herzen um eine ebenso prominent platzierte Gegendarstellung – zum Wohle von Katzen.

Gerne stehe ich Ihnen bei eventuellen Rückfragen per Mail oder Telefon zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Miriam Knischewski

Am 14.10.2025 erhielt ich die Antwort, dass meine Nachricht an die Redaktion weitergeleitet worden sei. Sollte ich – wider Erwarten – etwas Neues dazu mitbekommen, aktualisiere ich diesen Blogbericht.

* Zitate aus „Auf einen Blick“ Ausgabe 40/2025, Heinrich Bauer Verlag KG, Erscheinungsdatum 25.09.2025

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